FAQ 7.3 | Könnte Geoengineering dem Klimawandel entgegenwirken, und welche Nebeneffekte könnten auftreten?

Geoengineering – auch Klimaengineering genannt – wird als eine umfassende Zusammenstellung von Methoden und Technologien definiert, die darauf abzielen, das Klimasystem bewusst zu verändern, um Folgen des Klimawandels abzumildern. Es wird üblicherweise zwischen zwei Gruppen von Geoengineering-Methoden unterschieden: 1) „Solar Radiation Management“ (SRM, bewertet in Abschnitt 7.7: Methoden zur Beeinflussung der Sonnenstrahlung) beabsichtigt, die Erwärmung aufgrund anthropogener Treibhausgase zu kompensieren, indem das Reflexionsvermögen der Erde verstärkt wird, während 2) die Entnahme von Kohlendioxid („Carbon Dioxide Removal“ oder CDR, bewertet in Abschnitt 6.5: Methoden zur Entnahme von CO2) darauf zielt, die atmosphärische CO2-Konzentration zu verringern. Die beiden Kategorien funktionieren nach unterschiedlichen physikalischen Prinzipien und wirken auf unterschiedlichen Zeitskalen. Modelle legen nahe, dass, wären SRM-Methoden realisierbar, sie steigenden Temperaturen erfolgreich entgegenwirken und einigen anderen Klimaänderungen in geringerem Maße, aber immer noch wirksam, entgegenwirken würden. SRM würde nicht allen Auswirkungen des Klimawandels entgegenwirken, und alle vorgeschlagenen Geoengineering-Methoden bringen auch Risiken und Nebeneffekte mit sich. Weitere Konsequenzen sind noch nicht absehbar, da das wissenschaftliche Verständnis sowohl über SRM als auch über CDR noch gering ist. Geoengineering beinhaltet zudem viele (politische, ethische und praktische) Probleme, die über den Rahmen dieses Berichts hinausgehen. Methoden zur Entnahme von CO2 (Carbon Dioxide Removal Methods)

CDR-Methoden haben zum Ziel, durch die absichtliche Modifizierung von Prozessen des Kohlenstoffkreislaufs oder durch industrielle (z. B. chemische) Verfahren CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Der aus der Atmosphäre entnommene Kohlenstoff würde dann an Land, im Ozean oder in geologischen Speichern gelagert werden. Einige CDR-Methoden setzen auf biologische Prozesse, wie beispielsweise großräumige (Wieder-)Aufforstung, Sequestrierung von Kohlenstoff in Böden durch Biokohle, Bioenergieproduktion mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS) sowie Ozeandüngung. Andere würden auf geologischen Prozessen beruhen, wie beispielsweise einer beschleunigten Verwitterung von Silikat- und Kalkgesteinen – an Land oder im Ozean (siehe FAQ 7.3, Abbildung 1). Das aus der Atmosphäre entfernte CO2 würde dann in organischer Form in Speichern an Land oder in anorganischer Form in ozeanischen und geologischen Speichern gelagert werden, in denen es mindestens Hunderte von Jahren verweilen müsste, damit CDR wirksam wäre. CDR-Methoden würden den Strahlungsantrieb von CO2 reduzieren, sofern sie erfolgreich CO2 aus der Atmosphäre entfernen und diesen entnommenen Kohlenstoff von der Atmosphäre fernhalten. Einige Verfahren würden auch die Ozeanversauerung reduzieren (siehe FAQ 3.2), jedoch könnten andere Methoden mit einer Speicherung in Ozeanen stattdessen die Ozeanversauerung verstärken, falls der Kohlenstoff als gelöstes CO2 gebunden wird. Eine Hauptunsicherheit in Bezug auf die Wirksamkeit von CDR-Methoden ist die Lagerungsdauer und -kapazität des gespeicherten Kohlenstoffs. Eine dauerhafte Kohlenstoffentnahme und -lagerung mittels CDR würde die Klimaerwärmung langfristig abschwächen. Nichtdauerhafte Lagerungsstrategien würden indes dazu führen, dass COin die Atmosphäre zurückkehren kann, wo es erneut zur Erwärmung beitragen würde. Eine absichtliche Entnahme von CO2 über CDR-Methoden wird teilweise durch die Reaktion der ozeanischen und terrestrischen Kohlenstoffspeicher wieder rückgängig gemacht werden, falls die atmosphärische CO2-Konzentration abnimmt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass einige ozeanische und terrestrische Kohlenstoffspeicher das zuvor gespeicherte anthropogene CO2 in die Atmosphäre ausgasen werden. Um die bisherigen anthropogenen CO2-Emissionen vollständig zu beseitigen, müssten CDR-Methoden daher nicht nur jenes CO2 entfernen, das sich seit vorindustriellen Zeiten in der Atmosphäre angesammelt hat, sondern auch den anthropogenen Kohlenstoff, der bislang durch die terrestrische Biosphäre und den Ozean aufgenommen wurde. Biologische und die meisten auf chemischer Verwitterung basierenden CDR-Methoden können nicht unbegrenzt ausgedehnt werden und sind zwangsläufig durch verschiedene physikalische oder umweltbedingte Einschränkungen, wie beispielsweise konkurrierende Ansprüche auf Landflächen, limitiert. Unter der Annahme einer maximalen CDR-Sequestrierungsrate von 200 PgC pro Jahrhundert mittels kombinierter CDR-Methoden würde es etwa eineinhalb Jahrhunderte dauern, das in den letzten 50 Jahren emittierte CO2 zu entfernen, was eine schnelle Minderung des Klimawandels erschwert – selbst mit einer Kombination additiver CDR-Methoden. Verfahren der direkten CO2-Entnahme aus der Luft könnten prinzipiell sehr viel schneller wirken, könnten aber wegen der großräumigen Umsetzung einschließlich des Energieverbrauchs und der Umweltauflagen eingeschränkt sein. CDR könnte auch Nebeneffekte auf Klima und Umwelt haben. Zum Beispiel könnte eine gesteigerte Vegetationsproduktivität die Emissionen von N2O ansteigen lassen, einem stärkeren Treibhausgas als CO2. Eine großräumige Zunahme der Vegetationsbedeckung, beispielsweise durch Aufforstung oder Energiepflanzen, könnte die Oberflächeneigenschaften verändern, wie zum Beispiel die Oberflächenreflektivität und turbulente Flüsse. Einige Modellstudien haben gezeigt, dass Aufforstung in jahreszeitlich schneebedeckten borealen Gebieten tatsächlich die globale Erwärmung beschleunigen könnte, wohingegen Aufforstung in den Tropen die globale Erwärmung wirksamer verlangsamen könnte. Ozeanische CDR-Methoden auf der Basis biologischer Produktion (d. h. Ozeandüngung) hätten zahlreiche Nebeneffekte auf ozeanische Ökosysteme und den pH-Wert des Ozeans und könnten Emissionen von Nicht-CO2-Treibhausgasen bewirken.
FAQ 7.3, Abbildung 1 | Überblick über einige vorgeschlagene Geoengineering-Methoden, wie sie angeregt wurden. „Carbon Dioxide Removal“-Methoden (siehe Abschnitt 6.5 für Details): (A) Nährstoffe werden dem Ozean zugefügt (Ozeandüngung), was die Produktivität in den oberflächennahen Schichten des Ozeans ansteigen lässt und einen Teil des entstehenden biogenen Kohlenstoffs in die Tiefe transportiert; (B) Alkalinität wird dem Ozean über feste Minerale hinzugefügt, was dazu führt, dass mehr atmosphärisches CO2 im Ozean gelöst wird, (C) die Verwitterungsrate von Silikatmineralen wird erhöht, und die gelösten Karbonate gelangen in den Ozean; (D) atmosphärisches CO2 wird chemisch gebunden und entweder unterirdisch oder im Ozean gespeichert; (E) Biomasse wird in einem Kraftwerk unter Kohlendioxidabscheidung verbrannt, und das abgeschiedene CO2 wird entweder unterirdisch oder im Ozean gespeichert; und (F) COwird durch (Wieder-)Aufforstung gebunden und so in terrestrischen Ökosystemen gespeichert. „Solar Radiation Management“-Methoden (siehe Abschnitt 7.7 für Details): (G) Spiegel werden im Weltraum platziert, um die Sonneneinstrahlung zu reflektieren; (H) Aerosole werden in die Stratosphäre eingebracht; (I) Wolken über Meeresgebieten werden geimpft, um ihre Reflektivität zu erhöhen; (J) Mikrobläschen werden an der Meeresoberfläche erzeugt, damit sie stärker reflektiert; (K) stärker reflektierende Nutzpflanzen werden angebaut, und (L) Dächer und andere Gebäudestrukturen werden weiß eingefärbt.
Methoden zur Beeinflussung der Sonneneinstrahlung (Solar Radiation Management Methods) Die global gemittelte Oberflächentemperatur der Erde wird stark von der Menge an Sonneneinstrahlung beeinflusst, die von der Atmosphäre und der Erdoberfläche absorbiert wird und dadurch die Erde erwärmt, sowie durch die Existenz des Treibhauseffekts, dem Prozess, über den Treibhausgase und Wolken beeinflussen, auf welche Weise Energie letztendlich in den Weltraum zurückgestrahlt wird. Eine Zunahme des Treibhauseffekts führt zu einem Anstieg der Erdoberflächentemperatur, bis sich ein neues Gleichgewicht eingestellt hat. Wird weniger Sonnenstrahlung absorbiert, weil die Erde reflektierender gemacht wurde, oder kann die Energie wegen einer Verminderung des Treibhauseffekts effektiver in den Weltraum abgestrahlt werden, nimmt die mittlere globale Erdoberflächentemperatur ab. Die vorgeschlagenen Geoengineering-Methoden, deren Ziel die Regelung der ein- und abgehenden Energieflüsse der Erde ist, basieren auf diesem grundlegenden physikalischen Prinzip. Die meisten dieser Methoden schlagen entweder die Reduzierung des auf der Erde ankommenden Sonnenlichts oder die Erhöhung der Reflektivität des Planeten durch das Aufhellen der Atmosphäre, der Wolken oder der Erdoberfläche vor (siehe FAQ 7.3, Abbildung 1). Eine andere Technik schlägt die Unterbindung der Bildung von hohen Zirruswolken vor, da diese Wolken einen ausgeprägten Treibhauseffekt aufweisen. Nach den Grundregeln der Physik kühlt sich die Erde ab, wenn irgendeine dieser Methoden die Energieflüsse wie erwartet verändert. Das Bild ist jedoch aufgrund der vielen und komplexen physikalischen Prozesse, die die Wechselwirkungen zwischen den Energieflüssen, der atmosphärischen Zirkulation, dem Wetter sowie dem sich daraus ergebenden Klima steuern, kompliziert. Während die global gemittelte Erdoberflächentemperatur auf eine Änderung der Menge des Sonnenlichts, die die Erdoberfläche erreicht, oder auf eine Veränderung des Treibhauseffekts reagieren würde, wird die Lufttemperatur an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit von vielen weiteren Faktoren beeinflusst, und der Betrag der Abkühlung durch SRM wird nicht generell gleich dem Betrag der durch Treibhausgase verursachten Erwärmung sein. Zum Beispiel würde SRM die Erwärmungsraten nur während des Tages ändern, aber steigende Treibhausgaskonzentrationen können die Lufttemperatur sowohl während des Tages als auch während der Nacht verändern. Dieser ungenaue Ausgleich kann den Tagesgang der Oberflächentemperatur beeinflussen, selbst wenn die mittlere Oberflächentemperatur unverändert bleibt. In einem anderen Beispiel zeigen Modellberechnungen, dass eine gleichförmige Abnahme des an der Erdoberfläche ankommenden Sonnenlichts die mittlere globale CO2-bedingte Erwärmung kompensieren könnte, wobei aber einzelne Regionen weniger abkühlen würden als andere. Modelle weisen darauf hin, dass, wenn die anthropogene Treibhauserwärmung vollständig durch stratosphärische Aerosole kompensiert würde, in den Polarregionen eine geringe Resterwärmung übrig bliebe, wohingegen tropische Regionen etwas kälter würden als zu vorindustriellen Zeiten. SRM könnte dem anthropogenen Klimawandel theoretisch schnell entgegen wirken und die Erde innerhalb von einem oder zwei Jahrzehnten auf vorindustrielles Niveau abkühlen. Dies ist aus Klimamodellen bekannt, aber auch aus den Klimaaufzeichnungen großer Vulkanausbrüche. Die gut beobachtete Eruption des Pinatubo im Jahr 1991 führte zu einem zeitlich begrenzten Anstieg stratosphärischer Aerosole und einer schnellen Abnahme der Oberflächentemperatur um etwa 0,5 °C. Das Klima umfasst neben der Erdoberflächentemperatur viele weitere Faktoren. Die Auswirkungen auf andere Klimaparameter, wie beispielsweise Niederschlag, Bodenfeuchte, Abflussrate von Flüssen, Schneebedeckung und Meereis sowie auf Ökosysteme können ebenfalls von Bedeutung sein. Sowohl Modelle als auch die Theorie zeigen, dass der Ausgleich eines gestiegenen Treibhauseffekts mittels SRM zur Stabilisierung der Erdoberflächentemperatur den global gemittelten Niederschlag etwas verringern würde (siehe FAQ 7.3, Abbildung 2 für ein idealisiertes Modellergebnis), und es könnte auch regionale Änderungen geben. Solch ein ungenauer Ausgleich in regionalen und globalen Klimamustern macht es unwahrscheinlich, dass SRM ein zukünftiges Klima erzeugen könnte, das „genauso ist“ wie das, was wir heute erleben oder in der Vergangenheit erlebt haben. Allerdings weisen die verfügbaren Klimamodelle darauf hin, dass ein durch Geoengineering beeinflusstes Klima mit SRM und hohen atmosphärischen CO2-Werten im Allgemeinen näher an dem Klima des 20. Jahrhunderts wäre als ein zukünftiges Klima mit erhöhten CO2-Konzentrationen ohne SRM. SRM-Methoden hätten wahrscheinlich noch andere Nebeneffekte. Zum Beispiel zeigen Theorie, Beobachtungen und Modelle, dass stratosphärische Sulfat-Aerosole aus Vulkaneruptionen und natürlichen Emissionen stratosphärisches Ozon abbauen, vor allem dann, wenn Chlor aus Fluorchlorkohlenwasserstoff-Emissionen in der Atmosphäre vorhanden ist. Man geht davon aus, dass für SRM zugeführte stratosphärische Aerosole den gleichen Effekt hätten. Der Ozonabbau würde die Menge an ultraviolettem Licht erhöhen, die die Erdoberfläche erreicht, und somit terrestrische und marine Ökosysteme schädigen. Stratosphärische Aerosole würden auch das Verhältnis zwischen direkter und diffuser Sonneneinstrahlung an der Erdoberfläche vergrößern, was im Allgemeinen das Pflanzenwachstum erhöht. Es gab außerdem einige Bedenken, dass SRM mit Sulfat-Aerosolen den sauren Regen verstärken würde. Modellstudien zeigen jedoch, dass saurer Regen wahrscheinlich kein bedeutendes Problem darstellt, weil durch SRM mit stratosphärischen Aerosolen viel weniger saurer Regen erzeugt würde als derzeit durch Verschmutzungsquellen. SRM wird sich auch nicht gegen die Ozeanversauerung richten, die mit zunehmenden atmosphärischen CO2-Konzentrationen verbunden ist, noch gegen deren Auswirkungen auf marine Ökosysteme. Ohne konventionelle Minderungsmaßnahmen oder potenzielle CDR-Methoden werden hohe CO2-Konzentrationen aus anthropogenen Emissionen für bis zu 1 000 Jahre in der Atmosphäre verbleiben, und ein SRM müsste solange beibehalten werden, wie die CO2-Konzentrationen hoch wären. SRM zu stoppen, während die CO2-Konzentrationen immer noch hoch sind, würde zu einer sehr raschen Erwärmung innerhalb von einem oder zwei Jahrzehnten (siehe FAQ 7.3, Abbildung 2) führen und die Anpassung von Ökosystemen und des Menschen stark belasten. Würde SRM genutzt, um einige Auswirkungen steigender CO2-Konzentrationen zu vermeiden, stiegen die Risiken, die Nebeneffekte und die Mängel deutlich mit wachsendem Ausmaß des SRM. Es wurden daher Verfahren vorgeschlagen, die eine zeitlich begrenzte Anwendung von SRM vorsehen, begleitet von offensiven Strategien zur Reduzierung der CO2-Konzentrationen, um ein Überschreiten von Schwellenwerten oder Kipp-Punkten im Klimasystem zu vermeiden, was andernfalls unvermeidbar wäre. Die Bewertung solcher Vorgehensweisen würde eine sehr sorgfältige Risiko-Nutzen-Analyse erfordern, die weit über diesen Bericht hinausginge.
FAQ 7.3, Abbildung 2 | Änderung der global gemittelten (a) Erdoberflächentemperatur (°C) und (b) Niederschläge (%) in zwei idealisierten Experimenten. Die durchgezogenen Linien gelten für Simulationen, die „Solar Radiation Management“ (SRM) nutzen, um einen Anstieg der CO2-Konzentration von 1 % pro Jahr bis zum Jahr 50, in dem das SRM endet, auszugleichen. Die gestrichelten Linien gelten für Simulationen mit einem Anstieg der CO2-Konzentration von 1 % pro Jahr ohne SRM. Die gelben und grauen Flächen markieren den Bereich zwischen dem 25. und dem 75. Perzentil aus acht verschiedenen Modellen.
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Diese deutsche Übersetzung sollte zitiert werden als:

IPCC 2014: Klimaänderung 2013: Naturwissenschaftliche Grundlagen. Häufig gestellte Fragen und Antworten – Teil des Beitrags der Arbeitsgruppe I zum Fünften Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) [T.F. Stocker, D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex und P.M. Midgley (Hrsg.)]. Deutsche Übersetzung durch die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle und Klimabüro für Polargebiete und Meeresspiegelanstieg, Bonn, 2017.