IX. Gateway to the Arctic Workshop

Vom 13. – 17. Februar 2023 fand der IX. Workshop „Gateway to the Arctic” statt, der in diesem Jahr an der Partner-Universität Paris Versailles / Saint-Quentin-en-Yvelines (UVSQ) ausgerichtet wurde. Unter dem Thema „The Arctic in a changing world – a transdisciplinary approach” kamen Doktorand:innen und Master-Studierende zusammen, um sich über verschiedene Perspektiven des vielfältigen Wandels in der Arktis auszutauschen und insbesondere die unterschiedlichen Sichtweisen und Wissenshintergründe aus den Natur-, aber auch Geistes- und Humanwissenschaften kennenzulernen.

Nach einer Begrüßung und Einführung durch die Direktorin der UVSQ Dr. Valérie Ciarletti führte die Junior-Professorin Joanna Kodzik in die Bedeutung und Nutzung arktischer Objekte und Artefakte ein. Hierfür hatten drei Arbeitsgruppen des Master-Studiengangs „Arctic Studies“ an der UVSQ Vorträge basierend auf Archivmaterialen der Herrnhuter Brüdergemeinde (Moravian Church) im Landkreis Görlitz / Sachsen vorbereitet, die Brüder zu Missionsarbeiten nach Grönland, Alaska und Labrador entsandt hatten und dort sehr genaue Aufzeichnungen früher Siedlungsstrukturen gemacht haben. Diese Dokumentation wurde ergänzt durch die Arbeiten von Alexandre Delangle, einem UVSQ-Doktoranden des PACCSS Kollegs, der über seine Forschung über die Stefansson Sammlung (Arktisforschers Vilhjalmur Stefansson, 1879-1962) berichtete und über seine Arbeit im online Bildarchiv der Sammlung zeigte.  Als externe Gäste der Workshopserie waren darüber hinaus Prof. Ulrike Spring von der Universität Oslo (Department of Archaeology, Conservation and History) und Mitarbeitende zugeschaltet. Sie diskutierten anhand verschiedener Beispiele den Begriff des „Arktischen Objektes“, was zu diesen zählt und welche Bedeutung sie in Museums-Sammlungen annehmen können.

Der zweite Teil des Eröffnungstages war der naturwissenschaftlichen Perspektive gewidmet. Hier war Prof. Ulrich Kamp von der Universität Michigan (USA) zugeschaltet, einem Geomorphologen und Experten von Inlandgletschern, der in beeindruckender Weise den Gletscherrückzug und seine Auswirkungen für die Menschen in der Mongolei und den Anden Perus aufzeigte. Gletscher-Schmelze als Quelle für die Wasserversorgung stellt die Grundlage des Überlebens in den Hochlagen der Berge dar, der Rückgang der Gletscher von bis zu 40 % in den letzten 15 Jahren zeigt die dramatischen Folgen des Klimawandels für die Bevölkerungen.

Der Abschluss der Übersichtsvorträge wurde von Nicolas Stoll (AWI) bestritten, der eine Einführung und Übersicht über die Bedeutung und Bearbeitung von Eisbohrkernen in Grönland als Klimaarchiv gab. Nico Stoll hat vor wenigen Wochen seine Dissertation zum Thema grönländische Eisbohrkerne abgegeben und konnte als Experte auf dem Gebiet die Teilnehmenden des Workshops mit beeindruckenden Bildern und Graphiken in die Welt der Eisbohrwissenschaften entführen.

Abgerundet wurde er erste Tag durch Dr. Claudia Hanfland (AWI), die als Koordinatorin der AWI Doktorandenschule POLMAR und anhand ihrer eigenen Vita über die unebenen Wege der Karriereplanung, die Bedeutung eines Plan B sowie die frühzeitige Auseinandersetzung mit Karrieren auch außerhalb der Wissenschaft als Erfolgsmodel sprach. „Erfolg ist eine Frage der Perspektive“ und „Ambitionen plus Möglichkeiten ergeben Chancen“ bildeten ihr Resümee. Diese Anregungen wurden in drei Arbeitsgruppen übergeben, die sich mit speziellen Fragen zur Karriereentwicklung und Weiterentwicklung des Graduiertenkollegs beschäftigen sollten. Die Ergebnisse wurden am letzten Tag des Workshops vorgestellt.

Tag zwei wurde durch Dr. Martin Werner, Klimawissenschaftler am AWI eröffnet. Sein Übersichtsvortrag befasste sich mit der der Bedeutung von Proxydaten und Isotopen-Thermometern als Basis für Temperaturrekonstruktion der klimatischen Vergangenheit. Erst die genaue Kenntnis natürlicher Klimaschwankungen, ihrer Ursachen sowie regionalen und globalen Auswirkungen ermöglichen präzise Vorhersagen und Beurteilungen des anthropogenen Klimawandel und seiner möglichen Entwicklung.

Gefolgt wurde diese Einführung durch eine kontrastierende Darstellung der Klimaentwicklung aus Quellen von Reiseberichten durch Prof Jan Borm (UVSQ). In seinen Ausführungen ging er auf die Bedeutung von Historikern ein, die Beschreibung der Arktis in der Literatur, von indigenem Wissen sowie die Rolle von Entdeckern, Missionaren, Wissenschaftler:innen und Reisenden als Teil der arktischen Geschichtsschreibung. Der Tag ging in den Besuch des nationalen französischen Museums für außereuropäische Kunst „Musée Quai Brandly“ über, das von Jacques Chirac 2006 eröffnet wurde. Es vereint ethnologische Kunstgegenstände, Objekte und Dokumente. Hier wurden den Teilnehmenden speziell die arktische Sammlung in einer Führung nähergebracht.

Tag drei wurde durch eine Einführung in das Leben und Wirken von Johann August Miertsching (1817 – 1875), einem sorbischen Missionar und Dolmetscher eröffnet. Mechtild und Wolfgang Opel, zwei Reisebuchautoren haben sich seit Jahren intensiv mit Miertsching auseinandergesetzt und dazu in verschiedenen Archiven recherchiert. Miertsching war aufgrund seiner Sprachkenntnisse aus seiner Zeit als Missionar in Grönland als Dolmetscher auf der Suche nach Überlebenden der Franklin-Expedition in die Nordwestpassage von der britischen Admiralität angefragt. Das Leben von Miertsching ist von den Autoren im Buch „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching. Ein Lebensbild“ (ISBN: 9783867324113) portraitiert.

Im Anschluss hatten die Teilnehmende die Möglichkeit einer Führung durch das LATMOS beizuwohnen, dem Atmospheres Space Observations Laboratory auf dem Campus der Universität.  Hier werden Instrumente für Satellitenmissionen der ESA entwickelt sowie Daten von Atmosphären- und Umweltbeobachtungen ausgewertet. Die Führung machte die Bandbreite der Forschung und die Bedeutung des Standortes Paris Versailles für die französische Klima- und Umweltforschung deutlich. Zum Abschluss des Workshops war Prof. Rolf Teigler von der SRH Universität Berlin anwesend, der zusammen mit der jungen Filmemacherin Ipek Sertöz die Pläne für den neuesten Kurzfilm in Zusammenarbeit mit REKLIM vorstellte. Die Entwicklung von Kurzfilmen als Medium der Klimakommunikation und des Wissenstransfers hat REKLIM seit 2014 begleitet. Das erste Skript zu dem neuen Film wurde bereits beim 8. Gateway-Workshop in Potsdam mit den Studierenden lebhaft diskutiert und auf Basis der Ergebnisse weiterentwickelt. Der Workshop schloss mit einem gemeinsamen Abendessen bei traditionellem französischem Käsefondue und hat allen Teilnehmenden die Vielfalt der Arktisforschung nähergebracht. Der interdisziplinäre Austausch und das kennenlernen anderer Wissensfelder jenseits der eigenen Disziplinen ist ein wichtiger Baustein im Verständnis des arktischen Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die Bevölkerung. Die Offenheit und gemeinsame Anstrengung aller Disziplinen ist hier ein Schlüssel, mit dem die Kooperationspartner und das Graduiertenkolleg PACCSS die Nachwuchswissenschaftler:innen auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten.


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